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Märkische Allgemeine Zeitung
15. April 2015

Blind durch die City

Sehbehinderter dreht mit MAZ-Reporter eine Runde durch die Oranienburger Innenstadt

Von Marco Paetzel
Sein Stock tippt vor seinen Füßen hin und her, wie ein Echolot scannt er den Bürgersteig. An der Mittelstraße bleibt Thomas Schmidt stehen, hält den Kopf in den Wind. .Hier fängt die Fahlbahn an, das höre ich an den Autos", sagt der Oranienburger. Er würde sich wünschen, dass er hier mit seinem Stock einen Bordstein erfühlen könnte. Doch der ist abgesenkt. „Für die Rollifahrer. Und als Blinder steht man manchmal mitten auf der Straße, weil man den Bordstein nicht merkt", so Schmidt.

Als er fünf Jahre alt war, wurde seine Welt dunkel. Schmidt war ein Frühchen, kam zwei Monate eher als normal. Sein rechtes Auge war immer blind, beim linken löste sich allmählich die Netzhaut ab. .Heute sehe ich nur noch hell und dunkel", sagt der 36-Jährige.


Gemeinsam mit der MAZ hat er einen Rundgang durch die Oranienburger City gemacht, um zu zeigen, wo es mit der Barrierefreiheit noch hakt. Von seinem Wohnhaus in der Mittelstraße geht Schmidt über die Willy-Brandt-Straße Richtung Bahnhof. „Hier liegen viele Hundehaufen, aber die verfehle ich meistens. Keine Ahnung, warum", so der Sehbehinderte. Die Strecke kennt er aus dem Eff eff, im Lottoladen im Bahnhof ist Schmidt Stammkunde. Bis dahin schafft er den Weg recht zügig. Einmal kommt Thomas Schmidt vom Weg ab. Doch das merkt er, als er mit dem Stock an die Reifen abgestellter Fahrräder stößt. Ein paar Sekunden später hat er sich wieder auf den Gehweg getastet.

Die Ampel vor dem Bahnhof funktioniert mit Tönen. Viele Ampeln in der Stadt seien schon so ausgerüstet. „Da kommt man ganz gut voran", lobt Thomas Schmidt. Die Verkäuferin im Lottoladen kennt ihn schon, Schmidt sagt ihr einfach, was er braucht. „ Ich pack' dir das noch in deinen Rucksack", sagt die Frau. Doch nicht alles geht so leicht. Eine Fahrkarte für die Bahn könnte Schmidt an den Automaten im Bahnhof nicht kaufen. „Früher hatten die Tasten,-aber heute gibt es einen Touch-screen, auf dem man nichts erfühlen kann." Genauso ist das mit dem Automaten seiner Bank. Schmidt lässt sich meist von Mitarbeitern der Bank beim Geldholen helfen, außerhalb der Geschäftszeiten geht das aber nicht. „So etwas ärgert einen schon." Auch im Supermarkt einkaufen ist nicht mehr so leicht wie früher, weil in vielen Gängen Kisten mit Sonderangeboten stehen. Fußangeln für Blinde. „Früher war ich öfter alleine einkaufen, heute müssen das Freunde oder meine Schwester machen", so Thomas Schmidt, der die Behindertensportabteilung des FSV Forst Borgsdorf leitet.


Auch auf dem Weg zurück nach Hause hat er seine Probleme. Mit dem Stock verfängt sich Schmidt in aufgestapelten Stühlen, die vor dem Bäcker schräg gegenüber
vom Bahnhof stehen. Auch die Werbe-Aufsteller einer Fastfood-Kette in der Schulstraße erwischt er mit dem Stock. „Bei Obstverkäufern und Werbeschildern in der Bemauer Straße muss ich auch immer höllisch aufpassen", sagt Schmidt. Er kritisiert auch, dass die Gehwege in der City nicht glatt seien. „Da bleibt der Stock hängen." Immerhin: Ernsthaft gestürzt ist Thomas Schmidt noch nie. „In den vergangenen Jahren hat sich in Oranienburg viel getan" , sagt Schmidt, als er wieder vor seiner Wohnung steht.

Thomas Schmidt unterwegs in Oranienburg

Thomas Schmidt war mit MAZ-Reporter Marco Paetzel in Oranienburg unterwegs

Etwa 60000 Behinderte
In Oberhavel gibt es rund 33 700 schwerbehinderte Menschen, etwa die Hälfte davon sind Männer
(Stand: Ende 2013).
Im Havelland leben rund 25 300Menschen mit Behinderung. Auch hier ist das Verhältnis der Geschlechter ausgeglichen (Stand: Ende 2014).
In vielen Orten der Region arbeiten Behindertenbeauftragte, die sich für die Menschen vor Ort einsetzen, pae

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