Von Marco Paetzel
Sein Stock tippt
vor seinen Füßen hin und her, wie ein Echolot scannt er den
Bürgersteig. An der Mittelstraße bleibt Thomas Schmidt stehen,
hält den Kopf in den Wind. .Hier fängt die Fahlbahn an, das höre
ich an den Autos", sagt der Oranienburger. Er würde sich wünschen,
dass er hier mit seinem Stock einen Bordstein erfühlen könnte.
Doch der ist abgesenkt. „Für die Rollifahrer. Und als Blinder
steht man manchmal mitten auf der Straße, weil man den Bordstein
nicht merkt", so Schmidt.
Als er fünf Jahre alt war, wurde
seine Welt dunkel. Schmidt war ein Frühchen, kam zwei Monate eher
als normal. Sein rechtes Auge war immer blind, beim linken löste
sich allmählich die Netzhaut ab. .Heute sehe ich nur noch hell und
dunkel", sagt der 36-Jährige.
Gemeinsam mit der MAZ hat er
einen Rundgang durch die Oranienburger City gemacht, um zu zeigen,
wo es mit der Barrierefreiheit noch hakt. Von seinem Wohnhaus in
der Mittelstraße geht Schmidt über die Willy-Brandt-Straße
Richtung Bahnhof. „Hier liegen viele Hundehaufen, aber die
verfehle ich meistens. Keine Ahnung, warum", so der Sehbehinderte.
Die Strecke kennt er aus dem Eff eff, im Lottoladen im Bahnhof ist
Schmidt Stammkunde. Bis dahin schafft er den Weg recht zügig.
Einmal kommt Thomas Schmidt vom Weg ab. Doch das merkt er, als er
mit dem Stock an die Reifen abgestellter Fahrräder stößt. Ein paar
Sekunden später hat er sich wieder auf den Gehweg getastet.
Die Ampel vor dem Bahnhof
funktioniert mit Tönen. Viele Ampeln in der Stadt seien schon so
ausgerüstet. „Da kommt man ganz gut voran", lobt Thomas Schmidt.
Die Verkäuferin im Lottoladen kennt ihn schon, Schmidt sagt ihr
einfach, was er braucht. „ Ich pack' dir das noch in deinen
Rucksack", sagt die Frau. Doch nicht alles geht so leicht. Eine
Fahrkarte für die Bahn könnte Schmidt an den Automaten im Bahnhof
nicht kaufen. „Früher hatten die Tasten,-aber heute gibt es einen
Touch-screen, auf dem man nichts erfühlen kann." Genauso ist das
mit dem Automaten seiner Bank. Schmidt lässt sich meist von
Mitarbeitern der Bank beim Geldholen helfen, außerhalb der
Geschäftszeiten geht das aber nicht. „So etwas ärgert einen
schon." Auch im Supermarkt einkaufen ist nicht mehr so leicht wie
früher, weil in vielen Gängen Kisten mit Sonderangeboten stehen.
Fußangeln für Blinde. „Früher war ich öfter alleine einkaufen,
heute müssen das Freunde oder meine Schwester machen", so Thomas
Schmidt, der die Behindertensportabteilung des FSV Forst Borgsdorf
leitet.
Auch auf dem Weg zurück nach
Hause hat er seine Probleme. Mit dem Stock verfängt sich Schmidt
in aufgestapelten Stühlen, die vor dem Bäcker schräg gegenüber
vom Bahnhof stehen. Auch die Werbe-Aufsteller einer Fastfood-Kette
in der Schulstraße erwischt er mit dem Stock. „Bei Obstverkäufern
und Werbeschildern in der Bemauer Straße muss ich auch immer
höllisch aufpassen", sagt Schmidt. Er kritisiert auch, dass die
Gehwege in der City nicht glatt seien. „Da bleibt der Stock
hängen." Immerhin: Ernsthaft gestürzt ist Thomas Schmidt noch nie.
„In den vergangenen Jahren hat sich in Oranienburg viel getan" ,
sagt Schmidt, als er wieder vor seiner Wohnung steht.
Thomas Schmidt war mit MAZ-Reporter Marco Paetzel in
Oranienburg unterwegs
Etwa 60000 Behinderte
In Oberhavel
gibt es rund 33 700 schwerbehinderte Menschen, etwa die Hälfte
davon sind Männer
(Stand: Ende 2013).
Im Havelland leben
rund 25 300Menschen mit Behinderung. Auch hier ist das Verhältnis
der Geschlechter ausgeglichen (Stand: Ende 2014).
In vielen
Orten der Region arbeiten Behindertenbeauftragte, die sich für die
Menschen vor Ort einsetzen, pae