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Märkische Onlinezeitung
Alle Neune ohne Augenmaß
Seelow (MOZ) Obwohl sie nichts sehen, schrillt das Signal für einen
Volltreffer. Zum zweiten Mal seit den 90er Jahren war die Kegelhalle
in Seelow am Sonnabend Austragungsort für den Landespokal der Blinden-
und Sehbehinderten - dabei ging es nicht allein ums Holz.
Mit Wucht und Präzision: So schickt der
mehrfache Deutsche Meister Enrico Elsholz (l.) aus Bad Freienwalde die
Kugel über die Bahn.
Enrico Elsholz nimmt die schwarze Maske von den Augen. Der Bad
Freienwalder ärgert sich. Zwar wird er am Ende des Wettbewerbs in der
Seelower Kegelhalle den ersten Platz belegt haben, doch mit seinen 432
Holz ist er alles andere als zufrieden. "Wenn man den Anspruch hat,
international zu spielen, ist das zu wenig", sagt der mehrfache
Deutsche Meister. Doch der ehrgeizige Mann, der seit 18 Jahren kegelt,
zieht am Ende des Tages auch Positives aus dem 20. Landespokal des
Blinden- und Sehbehindertenverbandes Brandenburg. Schließlich gehe es
auch immer darum, Sportler-Kollegen wiederzutreffen.
Doch wie bringt der Blinde eine Kugel eigentlich gerade über die Bahn
und trifft manchmal sogar alle Neune? "Blinde und hochgradig
Sehbehinderte haben einen Zusteller, der ihnen auch beschreibt, wie
die Kugel läuft", erklärt Landeskegelwart Holger Dreher. Sie reichen
ihnen auch die Kugeln und geben Bescheid, sobald die Bahn frei ist.
"Es ist schon hohe Konzentration gefragt", sagt Andreas Beinert vom
Vorstand des Landesverbandes der Blinden und Sehbehinderten. "Ich
stelle mich da noch zu dusselig an", meint Beinert, der selbst blind
ist.
Hochkonzentriert ist auch Enrico Elsholz. Mit geradem Oberkörper steht
er an der Bahn und hält wie bei einer Meditationsübung beide Hände vor
den Bauch. Anke Naumburger legt die Kugel in seine Hände. Elsholz geht
in die Hocke drückt die Kugel auf den Boden, dann reist er beide Arme
in die Luft. Die Kugel saust über die Bahn und erfasst die Mitte der
Kegel.
Die schwarze Augenmaske bräuchte der Mann aus Bad Freienwalde
eigentlich nicht. Er ist vollblind, kann auch keine Veränderungen des
Lichts mehr wahrnehmen. Er trägt sie, damit niemand am Grad seiner
Behinderung zweifelt. Dass er schon vor seiner Erblindung gekegelt
hat, sei ein Vorteil. "Man kann besser korrigieren, wenn man eine
Vorstellung von der Bahn hat", sagt er.
Sein Rivale Klaus Cordes aus Oranienburg hat erst nach seiner
Erblindung mit dem Kegeln angefangen. Beim Wettkampf wirkt er weniger
verbissen. Seit 2001 ist er "nahezu blind", wie er selbst sagt, und
ist ebenfalls in der Klasse B1 eingestuft. Insgesamt drei gibt es je
nach Grad der prozentualen Sehbehinderung. Petra Dohrmann, die für
Klaus Cordes die Aufgabe der Zustellerin übernimmt, kegelt selbst in
der Klasse B3 (sehbehindert). "Ich kann mich noch sehend orientieren",
sagt sie.
Auch wenn einige sehr versierte Kegler am Sonnabend die Reise nach
Seelow antraten, ist der Landespokal kein ausgewiesener Wettbewerb für
Profis. Teilnehmen konnte im Grunde jeder, der Mitglied in einer der
jeweiligen Bezirksgruppen des Sehbehindertenverbandes ist - demnach
auch Menschen, die vorher noch keine Kugel geschoben haben.
Für Enrico Elsholz geht es schon in dieser Wochen weiter. Um sich auf
internationaler Ebene zu messen, reist er ins mehr als 900 Kilometer
entfernte Kosice in der Slowakei. 20 Stunden sei er dafür mit dem Zug
unterwegs, sagt er. Doch schon für die Begegnung mit den Sportlern aus
anderen Ländern, die einander mittlerweile gut kennen, lohne sich die
Strapaze.
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Blinden-und-Sehbehinderten-Verband Brandenburg e.V. |