Oranienburg (MOZ) Im Oranienburger Bürgerzentrum haben am Mittwoch 60
Interessierte darüber gesprochen, wie die Stadt
behindertenfreundlicher gestaltet werden kann. Veränderung beginnt
aber nicht auf der Baustelle, sondern in den Köpfen.
"Schön, dass so viele da
sind, aber es könnten noch mehr sein", freute sich
Vize-Bürgermeisterin Kerstin Kausche (CDU) am Mittwochabend über
den voll besetzten Saal im Bürgerzentrum. Eingeladen hatten die
Stadt und der Arbeitskreis für die Belange behinderter Menschen
der Stadt Oranienburg (AKBO). "Wir müssen es schaffen, mehr zu
bündeln", sagt die für Soziales zuständige Bürgermeisterin. Das
heiße, familiengerechte, barrierefreie, touristisch attraktive und
generationenübergreifende Bedingungen immer auch mit Blick auf die
Belange Behinderter zu bedenken. Kurz: "Wenn wir in einem
Inklusionskreis über alle Themen sprechen, sparen wir mindestens
20 Arbeitskreise."
Holger Dreher, seit 2009
hauptamtlicher Behindertenbeauftragter der Stadt Oranienburg und
seit 2006 Vorsitzender des Blinden- und Sehschwachenverbandes in
Oberhavel, berichtete, mit welchen Aktivitäten der Arbeitskreis
die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzt. So fanden
beispielsweise Stadtbegehungen mit allen Ortsvorstehern statt,
jährlich am 5. Mai wird auf die Belange behinderter Menschen
aufmerksam gemacht, und es gibt inklusive Kulturveranstaltungen.
Für die Landesgartenschau 2009 erarbeitete der Arbeitskreis ein
barrierefreies Konzept. Aktuell läuft ein Projekt mit der
Comenius-Schule, bei dem es um inklusive Bildung geht. "Maßstab
für meine Arbeit ist, die Lebensverhältnisse in allen Bereichen
der Gesellschaft zu verbessern und Behinderten ein
selbstbestimmtes und eigenständiges Leben, je nach Fähigkeiten, zu
ermöglichen", so Dreher. Bewusstseinsbildung ist dabei ein großes
Thema.
Dr. Katrin Grüber, seit
13 Jahren Leiterin des Berliner Instituts Mensch, Ethik und
Wissenschaft (IMEW), referierte darüber, wie Oranienburg von der
UN-Behindertenrechtskonvention profitieren kann. "Dass Vielfalt
bereichert, ist leichter gesagt als getan." Unabhängig vom Grad
der Behinderung müsse es darum gehen, Menschen mit Behinderung
gleichberechtigt in die Gemeinschaft einzubeziehen. Stehe ein
Rollstuhlfahrer vor einer Treppe, sei nicht allein die Überwindung
des Höhenunterschiedes eine Barriere, sondern auch die Reaktion
der Passanten. "Ein Problem ist: die meisten vermissen nichts",
bemerkte Katrin Grüber.
"Dass Behinderte Zugang
zu Gottesdiensten oder Kulturveranstaltungen finden, kann und soll
man nicht verordnen, aber man muss daran denken." Viele Bürger
wüssten nicht, wie sie mit Menschen mit Behinderungen umgehen
sollen und vermeiden deshalb Kontakte. "Inklusion heißt, dass alle
Bürger von Oranienburg alle Angebote wahrnehmen können, dass die
Möglichkeiten da sind. Es geht nicht darum, dass alle alles
gemeinsam machen", stellte Dr. Katrin Grüber klar und betonte: "In
inklusive Prozesse müssen von Anfang an alle Beteiligten
einbezogen sein. Behinderung geht alle an. Das ist nicht nur ein
Sozialthema oder eins von Behinderten." Einprägsam
veranschaulichte sie, wie ein Nikolaus-Fest inklusiv geplant
werden kann. "Da kann man nicht alles machen wie bisher", so das
Fazit.
In fünf Arbeitsgruppen
tauschten sich die Teilnehmer darüber aus, welche konkreten
Maßnahmen sich entwickeln lassen. Die Thementische "Erziehung und
Bildung" sowie "Politische Teilhabe" waren am stärksten besucht.
Dass sich für "Arbeit und Beschäftigung" nur wenige Interessenten
fanden, verwunderte Holger Dreher. "Es ist zwar kein vordergründig
kommunales Thema, aber ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass
einige Akteure mehr, auch die Arbeitsagentur, unserer Einladung
gefolgt wären."
Dennoch zeigte er sich
mit dem Verlauf der Veranstaltung zufrieden. "Wir wollten für das
Thema sensibilisieren und zur Mitarbeit motivieren. Das ist
gelungen."
Angeregt wurden unter
anderem ein Bildungstag für inklusive Bildung, eine Zusammenkunft
aller Akteure im Kultur-Freizeit-
und Sportbereich sowie
die vertiefte Diskussion über bezahlbaren, barrierefreien
Wohnraum. Die Ergebnisse werden jetzt konkret ausgewertet und
sollen spätestens im ersten Quartal 2015
veröffentlicht werden.
Wollen ein barrierefreies
Oranienburg : Sozialdezernentin Kerstin Kausche,
Behindertenbeauftragter Holger Dreher, Dr. Katrin Grüber vom
Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft sowie Annett Bauer vom
Paritätischen Wohlfahrtsverband. Foto: Dagmar Möbius
©
Dagmar Möbius