Märkische Allgemeine Zeitung
26. 6. 2008
Der Bürgersteig-Test
Neuer Behindertenbeirat unternimmt erste Stadtbegehung
Der Oranienburger Behindertenbeirat testete
gestern die Bürgersteige im Stadtzentrum. Die Teilnehmer hielten mit
Kritik nicht hinter den Berg.
Von Heiko Hohenhaus
ORANiENBURG! Schon mehrere Male hat sich der Rollstuhl von Jörg Haid
unter der Bahnbrücke an der Bernauer Straße/Ecke Stralsunder Straße
festgefahren. „Einmal bin ich herausgeflogen", erzählt der
Oranienburger. Der unebene, löchrige Bürgersteig in diesem Bereich sei
einer der schlechtesten in der Innenstadt. Holger Dreher, der neue
Vorsitzende des Behindertenbeirats, und Jutta Knospe vom Tiefbauamt
hörten gestern Nachmittag aufmerksam zu. „Mit unseren Stadtbegehungen
möchten wir auf die Probleme von Menschen mit Behinderungen aufmerksam
machen und vor Ort darüber mit Vertretern
der Stadt reden", erklärte Dreher. 2010/2011 wolle der Brandenburger
Landesbetrieb für Straßenwesen die „Bernauer" in diesem Bereich
erneuern, erklärte Jutta Knospe. Die Stralsunder Straße ist 2010 an der
Reihe.
Für die Sehbehinderten seien die vielen Poller im Stadtgebiet ein
Problem, so Dreher. Sie wären immer wieder eine Stolperfalle. „Ohne die
Poller fahren Autos auf die Gehwege und zerstören die Anlagen", gab die
Tiefbauamtsmitarbeiterin zu bedenken.
Viele Mängel hat aus Sicht des Behindertenbeirats der
Bahnhofsbereich. So öffne die Automatiktür nicht, der
Behindertenparkplatz vor dem Taxistand sei viel zu eng, die
Fußgängerbedarfsampel habe keinen Orientierungsfinder, die
Eingangstreppe von McDonald's sei für Rollifahrer unüberwindbar. Dreher
will
sich jetzt an die Deutsche Bahn AG wenden, um Verbesserungen
einzufordern.
Unverständlich ist für Helga Brunisch von der
Rollstuhlfahrer-Selbsthilfegruppe, dass immer wieder abgestellte
Fahrräder die Rampe am Bahnhof versperren.
Schwierigkeiten bereiten Geh- und Sehbehinderten die maroden Wege an der
Willy-Brandt-Straße und der Lehnitzstraße. Helga Brunisch regte an, auf
der Lehnitzstraße einen Zebrastreifen anzulegen, um den Weg von und zum
Bahnhof zu erleichtern.
Tiefbauamtsmitarbeiterin Knospe berichtete, dass ab September die
Bürgersteige an der Willy-Brandt-Straße erneuert werden sollen. Bei all
ihren Baumaßnahmen sei die Stadt bestrebt, Belange Behinderter zu
berücksichtigen. So würden unter anderem Borde abgesenkt, Mittelinseln
angelegt, Stolperstellen ausgemerzt.
Handlungsbedarf gebe es auch bei den Ampeln, sagte Holger Dreher. So
wären nur sechs von 16 Ampeln im Stadtgebiet mit akustischem
Freigabesignal ausgestattet. In den vergangenen Jahren habe sich zwar im
Vergleich zu früher schon viel getan, aber in Sachen barrierefreie Stadt
sei noch vieles offen, fasste Helga Brunisch zusammen. Handeln müssten
gerade auch Einzelhändler und Vermieter. „Je weiter man sich vom
Stadtzentrum entfernt, desto größer werden die Probleme", sagte Helga
Brunisch.
Überschaubare Routen
• Seit 1.Januar 2008 ist Holger Dreher der neue Behindertenbeauftragte
der Stadt Oranienburg.
• Nach der ersten Stadtbegehung im Zentrum sollen weitere Termine
folgen. Auf Grund der Größe Oranienburgs will der Behindertenbeirat die
Rundgänge in kleinen, überschaubaren Routen durchführen.
• Auch die Ortsteile sollen in die Rundgänge eingebunden werden.
• Der Behindertenbeauftragte ist unter Tel: 03301/ 83 66 98 zu
erreichen.